Schach als Schulfach?

Schüler in Unterleinleiter

Patting b. Rosenheim. Was im Schachdorf Ströbeck (Sachsen-Anhalt) schon seit vielen Jahrzehnten übliche Praxis ist, soll jetzt auch in Bayern die Regel werden: Schach als ordentliches Schulfach. Darauf verständigten sich, laut einer noch unbestätigten Meldung, die Bildungsexperten der CSU-Landtagsfraktion und eine Arbeitsgruppe der Bayerischen Schachjugend (BSJ), des Bayerischen Schachbundes (BSB) und des Bayerischen Landes-Sport-Verbandes (BLSV) auf einer Konferenz.

Bereits zum kommenden Schuljahr 2008/2009 soll im Hinblick auf die im Herbst stattfindenden Landtagswahlen der Startschuss mit einem Modellversuch gegeben werden. „Wenn das Experiment glückt, dann sind ab dem Schuljahr 2010/2011 alle Grundschulen mit im Boot.“ Jetzt sollen erst einmal die Kinder an der Volksschule Unterleinleiter (Landkreis Forchheim) Erfahrungen sammeln, wenn es einmal pro Woche heißt: Figuren aufstellen, der Schachunterricht beginnt!

Die Umsetzung

Für gewöhnlich gut unterrichtete Kreise im Kultusministerium zweifeln noch an der Umsetzungsmöglichkeit. Ein Ministerialreferent, der nicht weiter genannt werden möchte, hat bereits hinter vorgehaltener Hand in Frage gestellt, dass die erforderliche Anzahl von qualifizierten Lehrkräften in zwei Jahren zur Verfügung steht. „Das ist ein Aufwand, den wir neben G8 und R6 nicht auch noch leisten können. Schließlich ist der Schwerpunkt der Staatsregierung in nächster Zeit die Hauptschule.“ Bei der Deutschen Schulschachstiftung, deren Vorsitzender Walter Rädler ja selbst Grundschullehrer in Neuharting ist, ist man hingegen „heilfroh“ über die Initiative.

Das Schachzentrum

Auch die Deutsche Schachjugend (DSJ) scheint die Zeichen der Zeit erkannt zu haben, und will sich an der Ausbildungsoffensive in Sachen Schulschach beteiligen. „Gerade im Hinblick auf die Schach-Olympiade in Dresden ist es an der Zeit, ein Schachzentrum aus der Taufe zu heben, in dem die Grundschul-Lehrer und die in Frage kommenden Schachtrainer aus den Vereinen den letzten Schliff bekommen,“ so Dr. B. Aaron Münch-Hausen, geschäftsführender Vize-Präsident. Im Sinne der Cluster-Bildung sei eine Ansiedlung dieses Schachzentrum am Lehrstuhl für Grundschul-Pädagogik und -didaktik an der Universität Eichstätt sinnvoll. Aber auch die Lehrerakademie in Dillingen hat bereits Ansprüche angemeldet, wie ein Mitarbeiter der Schulleitung verlauten ließ. „Es wurden bereits einige Anfragen aus Oberfranken, der Oberpfalz und Niederbayern negativ beschieden. Schließlich geht es ja nicht um Entwicklungshilfe für benachteiligte Regionen.“

Die Finanzierung

Die Finanzierung soll durch eine gemeinsame Kraftanstrengung des Kultusministriums und eine Beteiligung der Mitgliedsvereine des Bayerischen Schachbundes gesichert werden. „Ganz ohne Eigenleistung auf Seiten der Schachspieler wird es nicht gehen,“ Dazu hat ein Mitglied des BSB-Präsidiums, das verständlicherweise ungenannt bleiben möchte, bereits inoffiziell Stellung genommen. „Unsere Finanzen lassen derlei Projekte nur eingeschränkt zu. Die einzige Möglichkeit besteht wohl darin, Mittel im Haushalt umzuschichten.“ Dann müsse man halt auf den Bodensee-Cup oder die Bayerischen Damenmeisterschaften verzichten. „Da gibt es sowieso auf jedem Kongress Debatten ums Geld.“ Der Rest sei nur durch eine Umlage aus den Bezirken zusammenzubekommen.

Welche Fächer gekürzt werden

Da die Anzahl der Schulstunden naturgemäß begrenzt ist, sollen dafür andere, weniger wichtige Fächer entsprechend reduziert werden. Zur Sprache gekommen seien insbesondere Kunst, Religion und Musik. Der neue Münchner Erbsbischof Marx zeigte sich bestürzt über die Pläne, den Religionsunterricht zu kürzen. Er sieht darin einen weiteren Verfall der Religionskultur: „Schach ist doch nur Opium für das Volk”. Ein Versuch, wie er kürzlich in Hamburg gemacht wurde, Mathematik durch Schach zu ersetzen, scheint im Freistaat aber auf wenig Gegenliebe zu stoßen. Die Schülervertretungen fordern allerdings die Kürzung des Faches Mathematik, das ja durch Schach zum Teil abgedeckt wird. Sie haben hierfür auch mit dem Bayerischen Kultusminister einen Sypathisanten: „Schach und Mathematik sind sich sehr ähnlich. In beiden Fächern kommt es auf das Rechnen an.“

Unterrichtsinhalte

Auch Berufsschullehrer sollen nach Angabe des designierten Schulungsleiters Kaspar Off im neuen Schulungszentrum ausgebildet werden: „Schließlich wollen wir auch Berufsschachspieler heranziehen.“ Dr. Fritz Elf, der den Schulversuch in Unterleinleiter fachlich betreuen soll, hat bereits erste Ansätze für einen Lehrplan: „Wir haben den Bereich Mattnetze knüpfen, der von einem erfahrenen Fischer gelehrt wird. Dann hat sich
auch noch ein Graf gemeldet, der die Kunst der Bauernführung beherrscht. Wir dachten da an einen landwirtschaftlichen Lehrbetrieb.“ Noch sei allerdings nicht entschieden, wer die Sparte Eröffnungen übernehmen soll. „Hier ist eine Kooperation mit der Wirtschaft angedacht. Wir suchen deshalb noch Paten-Firmen, die sich beteiligen. Wir dachten an MacDonalds (Schottisch), ikea (Skandinavisch) oder Renault (Französisch).“ Man sei aber auch für andere public private partnership-Modelle aufgeschlossen. Das zusätzliche Wahlpflichtfach Problemschach könne jedenfalls nur von Studien-Direktoren unterrichtet werden.

Waldorf- und Montessori-Schulen

Besondere Sorgenfalten treibt es Dr. Ecksack auf die Stirn, wie die Montessori- und Waldorf-Schulen integriert werden können. „Da fordern die Theoretiker aus entwicklungspsychologischen Gründen auch Jungen am Damenflügel spielen zu lassen, oder Förderunterricht für rückständige Bauern anzubieten.“ Auch die harmonische Aufstellung der Schachfiguren oder die Frage, wie man taktische Motive in Eurythmie umsetzt, nehmen die Kultusbürokratie in Anspruch: „Wie soll denn ein achtjähriger Junge ein Doppelschach tanzen?“