Die Nürnberger Zeitung vom 16. Februar 2009 widmet unserem Spitzenspieler GM Michael Prusikin einen ausführlichen Bericht. Ich möchte den Artkel von Inga Fötsch Euch nicht vorenthalten:
Nürnberger Zeitung
Und hier der ganze Text:
NÜRNBERG – «Ich bin zwar kein gläubiger Mensch», sagt Michael Prusikin, «aber das muss doch eine höhere Fügung gewesen sein.» Der 30-Jährige erinnert sich an den Beginn seiner Schachkarriere. «Ich ging mit meiner Mutter spazieren, da war ich ungefähr fünf, sechs Jahre alt und hatte ganz plötzlich den starken Drang, jetzt unbedingt die Türe betreten zu müssen, an der wir gerade vorbeiliefen. Einfach so.» Hinter dieser Tür verbarg sich der örtliche Schachverein. Da seine Mutter den Trainer kannte, war schnell die erste Probestunde vereinbart. «Es hat mich auf Anhieb interessiert», sagt Prusikin. Obwohl niemand sonst aus seiner Familie mit dem Spiel vertraut war, schenkte sein Vater ihm damals zum Geburtstag das erste Schachbrett.
«In meiner Familie gibt es viele Musiker. Meine Eltern spielen Geige im Forchheimer Kammerorchester», erzählt Prusikin. «Meine Mutter wollte mich auch für ein Instrument begeistern und ließ mich in einer Musikschule vorspielen. Der Lehrer wusste, dass sie eine sehr gute Geigerin ist und fragte: ‚Ist das wirklich dein Kind?‘ Damit war meine musikalische Karriere beendet.» Er zwinkert hinter seiner Brille mit dem silberfarbenen Metallgestell.
Michael Prusikin stammt aus der ukrainischen Stadt Charkow. Als er 17 Jahre alt war, wanderte er mit seinen Eltern aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage nach Deutschland aus. Ein Immigrantenheim in Fürth war die erste Anlaufstelle. «Die ersten sechs Monate hier waren keine schöne Zeit. In dem Heim hatten wir kaum Kontakt zu den Einheimischen. Unsere Sprachlehrerin war die einzige Deutsche», erinnert er sich. In seiner Heimat hatte er zuvor noch kein Deutsch gelernt. «Mein einziger Satz der ersten paar Wochen lautete ‚Ich spreche kein Deutsch‘», sagt er und grinst.
Inzwischen fühle er sich aber unheimlich wohl in Franken. Vergangenen Sommer war er das erste Mal seit 13 Jahren wieder in seiner Heimat. «Es hat sich einfach nie die Gelegenheit dazu ergeben. Heimweh hatte ich nie, und die meisten meiner Freunde und Verwandten sind auch ausgewandert», sagt er.
Innerhalb Europas ist er umso öfter herumgereist, um an internationalen Schachturnieren teilzunehmen. «Ich hatte eigentlich lange Zeit gar nicht daran gedacht, aus dem Schachspielen einen Beruf zu machen», sagt Prusikin. Er absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Erzieher an der Nürnberger Fachakademie für Sozialpädagogik. «Ich mochte die Arbeit mit den Kindern sehr. Sechs Monate habe ich nach dem Abschluss in einem Kindergarten gearbeitet. Ich dachte aber schon daran, dass mir die Ausbildung sicher helfen würde, Schüler im Schach zu unterrichten.»
2004 entschloss er sich, seine Leidenschaft Schach, die für ihn eine Mischung aus Sport und Kunst ist, zum Beruf zu machen und erreichte noch im selben Jahr den Titel des Großmeisters. «Dieser ist der höchste Titel, den man als Turnierschachspieler vom Weltschachbund auf Lebenszeit verliehen bekommt», erklärt er.
«Man kriegt ihn aufgrund der Teilnahme an bestimmten Turnieren und dem Erreichen von gewissen Punktzahlen. Das Wertungssystem zu erklären ist aber etwas kompliziert», sagt der ukrainische Großmeister, der dem Schachclub Forchheim angehört. Nach diesem Titel folgt nur noch der des Weltmeisters. «Um Weltmeister zu werden, muss man aber ein angeborenes Talent haben und von klein auf immer sehr intensiv trainieren. Außerdem braucht man eine hohe psychische Stabilität», meint er. «Naja, ein bisschen Talent habe ich schon», sagt er bescheiden und lächelt.
Um die Ecke schleicht sich eine schwarz-weiß gefleckte Katze mit einem Gummiball im Maul ins Zimmer. «Das ist Peschka. Der Name steht im Russischen für die Schachfigur des Bauern. Sie ist übrigens die einzige Einheimische in der Wohnung», sagt Prusikin und grinst. Er lebt zusammen mit seiner ukrainischen Lebensgefährtin in Nürnberg. Von der gemeinsamen Wohnung aus gibt er jeden Tag Schachunterricht. «Meinen ersten Schüler hatte ich heute schon», sagt er und deutet auf den Computerbildschirm hinter ihm. «Inzwischen lehrt man auch übers Internet. Mit Hilfe von Skype und einem Schachserver kann man auf Schachbrettern auf den Monitoren in Echtzeit spielen und kommunizieren.» Die Hälfte seiner Schüler betreut er virtuell. «Vom professionellen Spielen auf Turnieren allein könnte man nicht leben», meint er.
Inga Fötsch