Erstklassige Berichte Teil 4

Vlastimil Jansa – Igor Stohl

Die Berliner Luft bekam uns zum Abschluss der Erstliga-Saison 2002/2003 überhaupt nicht. Zwar gab es mit dem 4:4 Unentschieden gegen die SF Neukölln einen Mannschaftspunkt, doch wieder schlug der „Forchheim-Virus“ zu. Als Amateur-Mannschaft hat man es in einer reinen Profiliga erwartungsgemäß sehr schwer. Dennoch möchte ich diese Erlebnisse und Erfahrungen nicht missen. Aber keine Angst: Mit diesem Artikel ist der Rückblick noch lange nicht zu Ende. Es folgen noch weitere spannende (aber leider verlorene) Wettkämpfe. Schhließlich hatte ich eine nicht-chronologische Vorgehensweise ja angekündigt. Hier nun aber zum fünf Jahre alten Originalartikel:

14. Runde gegen den SC Kreuzberg Berlin

Bartosz Socko – Michael Prusikhin

In der vorletzten Runde der 1. Schachbundesliga startete der SC Forchheim in Berlin mit zwei Ersatzspielern und schlug sich beim 2,5:5,5 gegen die favorisierten Akteure des SC Kreuzberg, die vor dem Spieltag in der Tabelle bereits jenseits von Gut und Böse waren, sehr gut. Die Hauptstädter hatten auf ihre Spitzenbretter GM Zoltan Almasi (Ungarn) und GM Liviu-Dieter Nisipeanu (Rumänien) verzichtet. Wiederum schienen mehrere Partien zugunsten des Aufsteigers aus Nordbayern zu verlaufen, doch der „Forchheim-Virus“ schlug auch diesmal, wie bereits bei einem guten halben Dutzend der Duelle in der stärksten Schachliga der Welt, wieder erbarmungslos zu.

Stefan Löffler – Michael Burggraf

Während IM Michael Prusikhin und Landesliga-Stammspieler Michael Burggraf ausgeglichene Matches ohne Not noch aus der Hand gaben, verdarben GM Vlastimil Jansa, FM Manfred Heidrich und Johannes Zwanzger klare Gewinnstellungen und mussten zum Teil noch schmerzliche Niederlagen hinnehmen. Zwanzger, für den Vereinsvorstand FM Berthold Bartsch und Stammspieler FM Hans Niedermaier pausiert hatten, damit er mit den weißen Steinen um seine 1. IM-Norm kämpfen konnte, hatte weniger Glück als IM Milos Jirovsky, der durch einen verdienten Erfolg weiterhin auf GM-Norm-Kurs ist.

Raj Tischbierek – Vlastimil Jansa

Am Spitzenbrett stand IM Michael Prusikhin gegen den jungen Polen GM Bartosz Socko bereits nach der Eröffnung völlig auf Verlust, doch der Kreuzberger agierte nicht konsequent und ließ den Forchheimer zurück ins Spiel kommen. In der Folge hatte IM Prusikhin leichte Vorteile, ließ allerdings durch Ungenauigkeiten einen Königsangriff des Berliners zu, der zum Matt führte. Am 2. Brett geriet GM Vlastimil Jansa gegen GM Raj Tischbierek, „Schach“-Chefredakteur, bereits nach etwa 20 Zügen in bedrohliche Zeitnot und hatte für ca. 15 Züge noch knapp vier Minuten Bedenkzeit. Mit den schwarzen Steinen hatte der Prager bis dahin einen Mehrbauern erobert und eine solide Position herausgespielt.

Ralf Lau – Milos Jirovsky

Der e-Bauer des Berliners würde im Endspiel die entscheidende Schwäche darstellen. Doch soweit kam es gar nicht. Kurz vor der Zeitüberschreitung unterlief GM Jansa in äußerst komplizierter Stellung ein Fehler, der sofort die Aufgabe nach sich zog. Der sympathische Tscheche meinte bei der nachfolgenden Analyse, an dieser Stelle habe er „fantastisch falsch“ gespielt. Am 3. Brett spielte IM Milos Jirovsky gegen Bundesliga-Routinier GM Ralf Lau um seine 2. GM-Norm. Nach druckvollem Spiel gelang IM Jirovsky ein Bauerngewinn, den er bis ins Turm-Endspiel retten konnte. Dort nutzte er die allzu passive Stellung des Kreuzbergers, dessen zweiter Turm praktisch nicht mitspielte und gewann Dank eines aktiven Königs durch unabwendbares Matt.

Manfred Heidrich – Jens-Uwe Maiwald

Am 4. Brett hatte FM Manfred Heidrich gegen den Ex-Bindlacher GM Jens-Uwe Maiwald lange Zeit große Vorteile. Mit den schwarzen Steinen schnürte er den Berliner Neuzugang ein und nutzte dessen Unbeweglichkeit zur Bildung eines starken Bauernübergewichtes am Königsflügel. Im Leichtfiguren-Endspiel (Läufer und Springer) rettete sich GM Maiwald dann allerdings durch Dauerschach noch ins schmeichelhafte Unentschieden.

Jörn Bade – Drazen Muse

Am 5. Brett ging es für Johannes Zwanzger gegen GM Sergei Kalinitschew um die 1. Norm zum Internationalen Meister (IM). Mit 1,5 Zählern aus den beiden Wochenendpartien hätte er diesen 1. Schritt auf dem Weg zum Titel sichergestellt. In überlegener Stellung übersah der Forchheimer in der Zeitnotphase den einzigen Ausweg, der dem eingebürgerten Russen noch blieb und musste völlig unnötig noch die Waffen strecken. Am 6. Brett kämpfte Hans-Jürgen Doeres gegen IM Karsten Volke mit den schwarzen Steinen von Beginn an aggressiv um den vollen Punkt. Im Leichtfiguren-Endspiel (Läufer gegen Springer) mit einem Freibauern für den Berliner mündete das Match aber schließlich doch noch ins Remis.

Sergej Kalinitschew – Johannes Zwanzger

Am 7. Brett hatte der Ex-Berliner Jörn Bade gegen IM Drazen Muse sozusagen „Heimspiel“. So ließen es sich denn auch sein Vater Uwe Bade und der IM nicht nehmen, als Kiebitze mit von der Partie zu sein. Schon früh gelang Bade der Gewinn der gegnerischen Dame für Turm und Läufer. Dann allerdings ließ er sich vom gegnerischen Läuferpaar allzu sehr einengen und erreichte am Ende einer verheißungsvollen Partie nur das Unentschieden.

Hans-Jürgen Döres – Karsten Volke

Am Schlußbrett kam Landesliga-Stammspieler Michael Burggraf zu seinem Bundesliga-Debut. Gegen den Ex-Schönecker IM Stefan Löffler hatte er zu Beginn einige positionelle Schwierigkeiten zu umschiffen, in der Folge einen Mehrbauern gewonnen und die Attacken des Berliners erfolgreich abgewehrt. In einer von allen Beobachtern als Remis eingeschätzten Stellung im Endspiel mit Dame und zwei Türmen ließ sich der Forchheimer zu einer Ungenauigkeit verleiten, deren Resultat eine aufgabereife Position war.

SC Kreuzberg Berlin

– SC Forchheim

5,5:2,5
GM Socko

(2577)

– IM Prusikhin

(2509)

1:0
GM Tischbierek

(2506)

– GM Jansa

(2504)

1:0
GM Lau

(2498)

– IM Jirovsky

(2457)

0:1
GM Maiwald

(2516)

– FM Heidrich

(2415)

remis
GM Kalinitschew

(2490)

– Zwanzger

(2289)

1:0
IM Volke

(2457)

– Döres

(2279)

remis
IM Muse

(2442)

– Bade

(2267)

remis
IM Löffler

(2398)

– Burggraf

(2078)

1:0

4:4 am letzten Spieltag bei den SF Neukölln 03

Michael Prusikhin – Roman Slobodjan

In der Schlußrunde der 1. Schach-Bundesliga zwischen dem Gastgeber SF Neukölln 03 und dem SC Forchheim gab es ein leistungsgerechtes 4:4 Unent-schieden. Die SF Neukölln 03 verzichteten auf die Spitzenbretter GM Sergei Movsesian (Slowakei), GM Dorian Rogozenko (Rumänien) und GM Stellan Brynell (Schweden). Dennoch blieb eine routinierte und an allen Brettern auf dem Papier deutlich stärkere Mannschaft als Gegner. Versöhnlich war aber nicht nur der zweite Punktgewinn der Saison, sondern auch die Tatsache, dass zwar IM Michael Prusikhin (GM-Norm) und Johannes Zwanzger (IM-Norm) ihre Ziele nicht erreicht hatten, wohl aber beachtliche Erfolge im Erreichen von Fide-Titeln vorzuweisen sind. Durch zwei Siege an diesem Wochenende vervollständigte IM Milos Jirovsky die vom Weltschachbund geforderten GM-Normen und darf nach der nächsten Auswertung der ELO-Zahl den Titel Großmeister tragen.

Milos Jirovsky – Stephan Berndt

Johannes Zwanzger hat durch das Überschreiten der 2300-Punkte seinerseits den Titel eines Fide-Meisters (FM) erspielt. Herzlichen Glückwunsch beiden Forchheimer Spielern zu diesen großartigen Erfolgen. Am Spitzenbrett blieb das Duell zwischen IM Michael Prusikhin und GM Roman Slobodjan ohne große Höhepunkte und endete nach 20 Zügen bereits unentschieden. Am 2. Brett hatte GM Vlastimil Jansa gegen den Slowaken GM Dr. Igor Stohl zu Beginn leichte positionelle Vorteile, die sich im Endspiel mit Turm und Springer jedoch nicht gewinnbringend verwerten ließen. In beiderseitiger Zeitnot, beide etwa fünf Minuten Bedenkzeit für 15 Züge, einigten sich die beiden auf Unentschieden, ein Angebot, dass der Berliner bereits vor Partiebeginn gemacht hatte, das der Forchheimer zu diesem Zeitpunkt allerdings zurückgewiesen hatte. Am 3. Brett hatte IM Milos Jirovsky mit IM Stephan Berndt schwer zu kämpfen.

Manfred Heidrich – Rainer Polzin

Mit den schwarzen Steinen wurde der Forchheimer aus der Eröffnung heraus in die Defensive gedrängt und musste wegen des Ziels der Erringung seiner letzten GM-Norm der Zugwiederholung und damit dem Remis ausweichen, so dass er nach diesem Manöver eine Verluststellung auf dem Brett hatte. Erst in der Zeitnotphase seines Gegners konnte er sich durch einen taktischen Trick befreien. Mit einem Mehrbauern im Turm-Endspiel verbesserte er seine Position nachhaltig und erzwang durch die Bildung eines Freibauern mit Königsunterstützung die Aufgabe des Berliners. Am 4. Brett teilten FM Manfred Heidrich und IM Rainer Polzin die Punkte. FM Heidrich mit den weißen Steinen wickelte das Mittelspiel in ein Leichtfiguren-Endspiel ab, in dem keiner der beiden einen entscheidenden Vorteil erringen konnte, was das Remis nach sich zog.

Berthold Bartsch – Martin Borriss

Am 5. Brett versuchte FM Berthold Bartsch gegen IM Martin Borriss seinen ersten Saisonsieg vom letzten Bundesliga-Wochenende gegen den Plauener FM Ulrich Dirr zu wiederholen. Mit der gleichen Eröffnung, mit Qualitätsopfer (Turm gegen Springer), um zu Gegenspiel zu kommen, geriet der SC-Vorsitzende mit den schwarzen Steinen diesmal stärker unter Druck und mußte nach drei Stunden Bedenkzeit die Segel streichen. Die gegnerischen Türme waren in die Königsverteidigung eingebrochen. Am 6. Brett konnte Johannes Zwanzger seine Partie gegen IM Dirk Poldauf lange Zeit ausgeglichen gestalten und im Mittelspiel sogar etwas die Oberhand bekommen. Allerdings verteidigte der Neuköllner gekonnt und erzwang in gegenseitiger Zeitnotphase das Remis.

Jörn Bade – Henrik Rudolf

Am 7. Brett agierte Hans-Jürgen Döres mit den schwarzen Steinen gegen IM Lars Thiede allzu passiv und wurde mit einer anfälligen Bauernstruktur und wenig aktionsfähigen Figuren Zug um Zug näher an den Rand der Niederlage gedrängt. Letztlich blieb ihm in aussichtsloser Position nur noch die Aufgabe. Am Schlußbrett besiegte Jörn Bade den Berliner FM Henrik Rudolf in einer hart umkämpften Partie. Im Turm-Endspiel gelang ihm die Eroberung zweier gegnerischer Steine und die Bildung zweier verbundener Freibauern, die mit Unterstützung des eigenen Turmes ein uneinnehmbares Bollwerk bildeten.

SF Neukölln 03

– SC Forchheim

4:4
GM Slobodjan

(2514)

– IM Prusikhin

(2509)

remis
GM Dr. Stohl

(2555)

– GM Jansa

(2504)

remis
IM Berndt

(2469)

– IM Jirovsky

(2457)

0:1
IM Polzin

(2467)

– FM Heidrich

(2415)

remis
IM Borriss

(2434)

– FM Bartsch

(2318)

1:0
IM Poldauf

(2414)

– Zwanzger

(2289)

remis
IM Thiede

(2432)

– Döres

(2279)

1:0
FM Rudolf

(2337)

– Bade

(2267)

0:1