Nachdem wir im Vorjahr bereits einen guten Einstand bei der 3. Senioren-Team-Weltmeisterschaft gefeiert hatten, wollen wir nun als einzige bayerische Mannschaft in Dresden/Radebeul wieder an den Start gehen. Dabei sind es mit 58 Teams so viele wie noch nie. Darunter die Favoriten aus Island, Armenien oder England, aber auch weitgereiste Teams wie Canada oder die Mongolei. In der Altersklasse 50+ sind es erneut FM Manfred Heidrich (7,5 Punkte), FM Berthold Bartsch (5,0), FM Dieter Seyb (6,0) und Gastspieler Karl-Heinz Kannenberg (5,0), die auf Setzlisten-Platz 10 gelistet sind. Einzig FM Hans Niedermaier fehlt diesmal. Unser Quartett wurde sensationell Sechster. Nur der Traum von Manfreds IM-Norm ist trotz 7,5 Punkten aus neun Runden am Spitzenbrett (!) leider geplatzt. Jetzt hat uns nach Karl-Heinz Kannenbergs Einschätzung und FM Dieter Seybs Bericht auch FM Manfred Heidrichs Rückblende erreicht:
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FM Manfred Heidrichs Rückblick:
„Das Turnier aus meiner Sicht: Runde 1: Mein Gegner versucht es mit einer Variante des sizilianischen Flügelgambits, das ich jedoch elegant ablehne. Nach einigen Abtäuschen erhalte ich die bessere Struktur und verwerte den Postionsvorteil sicher zum Sieg. Runde 2: Dies war ein knapper und glücklicher Mannschaftssieg. Ich erhalte in der Tarrasch-Variante der französischen Verteidigung leichten Vorteil, ohne jedoch eine Entscheidung erzwingen zu können. In Zeitnot büßt mein Gegner einen Bauern ein und nutzt in der Folge nicht alle Remis-Chancen, sodaß ich auf instruktive Weise den Gewinn sicherstelle. Runde 3: Wir erleiden die erwartete Niederlage unserer Mannschaft gegen Armenien. Nach ruhiger Eröffnung setzt mich Großmeister Vaganian unter Druck und erobert einen Bauern. Dafür erlange ich Gegenspiel, und es gelingt glücklicherweise eine Abwicklung in ein remisliches Turmendspiel, welches mein Gegner noch lange, aber erfolglos, zu gewinnen versucht.
Runde 4: Diesmal kommt die Alapinvariante der sizilianischen Verteidigung aufs Brett. Ich setze ein ungewöhnliches Abspiel mit entgegengesetzten Bauernmehrheiten vor, das meiner Gegnerin viel Bedenkzeit kostet. Zwar nicht optimal von mir behandelt, doch in Zeitnot lässt meine Gegnerin eine gute Möglichkeit aus und wird von mir überspielt. Runde 5: Ich bekomme mit dem Schachtrainer Artur Jussupow den 2. Großmeister. Die Eröffnung ist – wie in Runde 2 – erneut die Tarrasch-Variante im Franzosen. Jussupow opfert im angehenden Mittelspiel einen Bauern für ein aktives Läuferpaar, zudem wird meine Bauernstellung entwertet. Gegen standhafte Verteidigung findet Jussupow jedoch kein Mittel, um einen Sieg zu erzwingen, und wickelt in ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern ab. Runde 6: Gegen einen eigentlich gut aufgelegten Grazer Fidemeister gerate ich nach dem Vertauschen zweier Züge unter Druck, aber dann unterliegt mein Gegner einer Halluzination, die es mir erlaubt, die Dame für Turm und 2 Leichtfiguren zu „opfern“. Mit energischem Spiel kann ich meinen Vorteil zum Partiegewinn führen.
Runde 7: Nach der englischen Eröffnung bekommt mein Gegner eine annehmbare Stellung, die mir ein Spiel auf Sieg zu riskant erscheinen lässt, und ich nehme die Remis-Offerte meines Gegners an. Den Mannschaftskampf verlieren wir äußerst unglücklich, nachdem Karlheinz ein Opfer der Schrecksekunde wurde. Runde 8: Wie in Runde 4 kommt die Alapin-Verteidigung des Sizilianer aufs Brett. Nachdem mein Gegner durch einige Abtäuschen seine Figurenstellung verschlechtert hat, erziele ich großen Positionsvorteil. Im Eifer des Gefechts verpasse ich einen sofortigen Gewinn, aber mein Vorteil – in Form des Läuferpaars – ist immer noch entscheidend, um den Sieg sicher einzufahren. Runde 9: Leider bekomme ich keinen Titelträger als Gegner. Die Hoffnung auf eine IM-Norm erfüllt sich somit nicht. „Zur Strafe“ muss mein Gegner daran glauben. Erneut kann ich die Stärke des Läuferpaars zelebrieren – diesmal in der spanischen Abtauschvariante – und meinen 6. Sieg erzielen. Ich hatte im Turnier einen hervorragenden Lauf. Es war ein schönes Turnier und gut organisiert. Auch die Unterbringung im Hotel war sehr gut.“
FM Dieter Seybs Einschätzung:
„Ich habe gerade den Bericht von Karl-Heinz gelesen und kann ihm voll zustimmen. Die Organisation des Turniers und die Unterbringung waren sehr gut. Die Mannschaft konnte mit ihrem Abschneiden sehr zufrieden sein, wenn man bedenkt, dass wir uns von Rankingliste 10 auf Platz 6 verbessert haben. Von den vor uns stehenden Mannschaften waren bei objektiver Betrachtung die ersten vier Mannschaften natürlich klar besser. Lediglich gegen den fünften, die Seniorenauswahl aus Hessen, haben wir unglücklich verloren, und wir hätten diese hinter uns lassen können. Immerhin stehen wir aber vor solch namhaften Teams wie Island, Thüringen und der Slowakei, worauf wir schon etwas stolz sein dürfen. Das Hauptverdienst kommt natürlich Manfred mit seinem hervorragenden Ergebnis am Spitzenbrett zu. Ich selbst war mit meinem Spiel durchschnittlich zufrieden. Diese Einschätzung spiegelt sich auch in der ELO-Performance wider, die sehr nahe an meinem jetzigen ELO-Schnitt liegt. Einige schwächere Gegner habe ich zwar mit Mühe, letztlich aber souverän bezwungen. Meine Niederlage gegen Hessen war auf eine völlige Fehleinschätzung der Stellung zurückzuführen, die ich zu Unrecht als besser bewertet habe und dabei die Gefahren viel zu spät erkannt habe. Wirklich bedauerlich war meine Niederlage gegen Armenien gegen GM Movsziszian. Ich habe diese Partie zunächst ordentlich gespielt und hatte laut Fritz schon 3.0 Punkte Vorsprung. Leider wählte ich in Zeitnot eine vermeintlich sichere Fortsetzung, wonach es stetig bergab ging. Mit etwas mehr Zeit auf der Uhr (und etwas weniger Respekt vor einem GM) hätte ich den Gegner wohl nicht entwischen lassen. Insgesamt hat uns allen das Turnier aber sehr gefallen.“
Karl-Heinz Kannenbergs Bericht:
„Zwar war ich mit meinem Spiel öfters nicht zufrieden – so hätte ich in einer Partie nach guten Spiel meinen Gegner Matt setzen können, übersah dies und verlor stattdessen. Insgesamt war es aber eine “voll” gelungene Veranstaltung. Über 500 Schachspieler in über 100 Mannschaften aus 23 Nationen und eine perfekte Organisation boten schon ein einzigartiges Klima. Unser Erfolg erscheint mir angesichts unserer harten Gegnerschaft verdient, wir hatten von den vor uns liegenden fünf Mannschaften immerhin drei als Gegner. Hervorzuheben ist natürlich das sensationelle Ergebnis von Manfred am Spitzenbrett, der aber leider aus mehr oder weniger formalen Gründen keine weitere IM-Norm erzielen konnte. Fazit: Es hat äußerst viel Spaß gemacht in dieser Mannschaft bei diesem Turnier zu spielen!“