Für Léon Mons wird es ein Erlebnis der besonderen Art. Nicht nur, dass er als amtierender Deutscher U16-Meister erstmals an der Jugend-Weltmeisterschaft teilnehmen darf. Auch dass diese inmitten Brasiliens stattfindet. Unser Spitzenspieler GM Michael Prusikin wird ihn als Trainer betreuen, eine Zusammenarbeit, die ja schon bei den nationalen Titelkämpfen glänzend geklappt hat. Wir versuchen, aktuell aus Caldas Novas zu berichten und wünschen Léon viel Erfolg! Mit 5,5 Punkten aus neun Runden (Platz 20) kann Léon durchaus zufrieden sein. Es siegte übrigens der Favorit GM Jorge Cori (2482) aus Peru mit 7,5 Zählern. Jetzt mit Bericht und Partien.
Turnierseite
Karteikarte Léon Mons
1. Bericht des Bundesnachwuchstrainers
2. Bericht des Bundesnachwuchstrainers
Bericht des A-Trainers Bernd Rosen
Gegner von Léon Mons (ELO 2311):
1:0 | Joao Pedro Amato de Vercosa | (1903) | Brasilien |
1:0 | Brandon Clarke | (2140) | England |
remis | FM Kanan Izzat | (2263) | Aserbaidschan |
1:0 | FM Giuseppe Leiva | (2183) | Peru |
0:1 | IM Kamil Dragun | (2424) | Polen |
remis | IM Karen Grigoryan | (2484) | Armenien |
0:1 | Amil Abbasov | (2144) | Aserbaidschan |
1:0 | John Hughes | (2085) | USA |
remis | FM Vladislav Terentjev | (2344) | Russland |
Hier der Bericht Léon Mons´:
„Als diesjähriger Deutscher Meister der Altersklasse U16 hatte ich mir das Recht erspielt, erstmals an einer Jugend-Weltmeisterschaft teilzunehmen, die dieses Jahr vom 17. bis zum 27. November in der 70000-Einwohner-Stadt Caldas Novas mitten im sommerlich-warmen Brasilien stattfand.
In dem 104-köpfigen Teilnehmerfeld war ich überraschend weit vorne an Position 16 gesetzt, sodass ich mir als Ziel setzte, eine Platzierung unter den ersten fünfzehn Plätzen zu erreichen. Doch dazu musste ich Caldas Novas erst einmal erreichen. Die Reise begann Mittwoch nachmittags am 16.11. in Nürnberg, von wo aus wir (mein Trainer Michael Prusikin, die Erlanger Jugendspieler Hanna-Marie Klek und Kevin Tong und ich) per ICE zum Frankfurter Flughafen reisten, von wo aus wir dann den 12-stündigen Flug nach Sao Paulo antraten. Von Sao Paulo reisten wir weiter nach Goiania, von wo aus wir immer noch eine 2-stündige Busreise über uns ergehen lassen mussten, bis wir endlich nach insgesamt 27 Stunden in Caldas Novas ankamen. Das Hotel Thermas di Roma, in dem die deutsche Delegation untergebracht war, bot uns mit zahlreichen Pools, Sportanlagen und sehr leckerem Essen genau den Luxus, den wir brauchten, um uns von den Strapazen der Reise zu erholen. Auch die Zimmer waren sehr schön, wenn mal von den Ameisen absieht, die in dem einen oder anderen Zimmer hausten 🙂 .
Die Auslosung für die erste Runde am Freitag bescherte mir den Einheimischen Joao Pedro Amato de Vercosa als Gegner, der mit einer Elozahl von 1903 an Position 68 gesetzt war. Die angekündigte „Eröffnungsfeier“ im riesigen und sehr gut klimatisierten Spielsaal des Turniers war die erste negative Überraschung des Turniers, da die Redner lediglich ein paar Sätze auf Portugiesisch sprachen und der Dolmetscher des Englischen nicht wirklich mächtig war. Bis nach der Eröffnungsfeier die Runde beginnen konnte, verging eine weitere Dreiviertelstunde, bis alle Eltern von den Organisatoren aus dem Spielsaal verjagt waren. Der Beginn der Runde verzögerte sich somit um mehr als eine halbe Stunde. Meine Partie entwickelte sich glücklicherweise erfreulicher für mich. Die morgendliche Vorbereitung ging voll auf, sodass ich gegen seinen etwas passiven Aufbau mit Fianchetto des Königsläufers schnell eine angenehme Stellung erreichte. Dass mein Gegner auch noch in starker Zeitnot verkehrte, erleichterte meine Vorteilsverwertung, da er einen wichtigen Bauern direkt vor seinem König einstellte, sodass ich entscheidenden Königsangriff erlangte. Ein gelungener Auftakt! Einen Schock erlebten wir am späten Abend, als plötzlich auf dem gesamten Hotelgelände der Strom ausfiel. Glücklicherweise konnte das Problem eine Viertelstunde später behoben werden, und auch in den nächsten Tagen blieben wir von weiteren Stromausfällen verschont.
Mein Gegner für die Partie am Samstag, Brandon GI Clarke aus England, war mit einer Elozahl von 2140 schon ein anderes Kaliber als mein Erstrundengegner. Bereits in der Eröffnung wurde ich überrascht, und kam als Weißer nur mit einer ausgeglichen Stellung ins Mittelspiel. Nach einigen Ungenauigkeiten meines Gegners erreichte ich allerdings ein vorteilhaftes Endspiel mit dem Läuferpaar. Allerdings fand ich nicht die besten Züge und musste einen Bauern opfern. Das entstehende Leichtfigurenendspiel war dennoch ausgeglichen, da mein starkes Läuferpaar den gegnerischen Mehrbauern kompensierte. Nach einigen Zeitnotfehlern meines Gegners konnte ich den Minusbauern schließlich zurückgewinnen, wonach ich ihm im Endspiel keine Chance mehr ließ. Nach einem Traumstart mit 2 Punkten aus 2 Partien war zu erwarten, dass ich am nächsten Tag, an dem wir eine Doppelrunde spielen mussten, einen sehr starken Gegner zugelost bekommen würde.
Und so kam es dann auch. Mein Gegner für Runde 3, FM Kanan Izzat aus Aserbaidschan, war zwar mit einer Elozahl von 2263 knapp hinter mir gesetzt. Doch die Vorbereitung am Samstagabend ergab, dass dieser im Jahr 2010 den Weltmeistertitel U 14 errungen hatte, es war also eine schwere Partie zu erwarten. Glücklicherweise wählte mein Gegner in der Spanischen Eröffnung eine relativ harmlose Variante, sodass ich schnell eine ausgeglichene Stellung erreichte. Um eine Druckstellung zu erreichen opferte er einen Bauern, nachdem ich diesen jedoch wieder zurückgeopfert hatte, entstand ein völlig ausgeglichenes Doppelturmendspiel. Hier opferte ich zwei Bauern, konnte im Gegenzug allerdings mit meinen beiden Türmen auf die gegnerische 2.Reihe eindringen konnte, wodurch ich ein Dauerschach forcieren konnte.
In der Nachmittagsrunde wurde ich mit Weiß gegen den peruanischen FM Giuseppe Leiva (ELO 2183, Nr. 37 der Setzliste) gelost. Da die Paarungen erst eine Dreiviertelstunde vor Partiebeginn im Internet standen, musste ich unvorbereitet in die Partie gehen. Mein Gegner wählte die scharfe Najdorf-Variante in der Sizilianischen Eröffnung, stellte jedoch bald einen wichtigen Bauern ein und verlor dabei auch noch das Rochaderecht. Ich hätte nun in ein gewonnenes Endspiel mit Mehrbauern abwickeln können, opferte aber lieber eine Figur, um den entblößten gegnerischen König anzugreifen. Bei perfekter Verteidigung hätte mein Angriff wohl nicht zum Sieg ausgereicht, aber mein Gegner griff in Zeitnot fehl, sodass ich seine Dame und wenig später die Partie gewinnen konnte. Mit 3,5 Punkten aus 4 Partien mischte ich nun ganz oben mit, sodass mir die Auslosung das Traumlos bescherte, in Runde 5 am ersten Brett mit Schwarz gegen den polnischen IM Kamil Dragun (ELO 2424, Nr. 4 der Setzrangliste) spielen zu dürfen.
Doch zuvor stand Erholung am spielfreien Tag an. Zwar fiel der geplante Besuch im AquaPark, der sich direkt neben unserem Hotel befand, leider ins Wasser (oho, ein Wortspiel :-)) , weil dieser ausgerechnet an unserem freien Tag geschlossen hatte, aber auch so konnte ich den freien Tag gut nutzen. Neben der abendlichen Parteivorbereitung stand vormittags erstmal ein Fußballspiel auf dem Programm, bei dem des uns gelang, die US-amerikanische Auswahl mit 4:1 besiegen. Danach war noch viel Zeit zur Entspannung im Hotelpool sowie zur Erkundung von Caldas Novas. Mit etwas Glück konnte man im Hotelpark viele exotische Pflanzen und Tiere, wie z.B. Tukane, Gottesanbeterinnen und sogar kleine Äffchen entdecken.
Gut erholt ging ich also am Dienstag in die 5. Runde. Die Partievorbereitung schlug leider völlig fehl, da mein Gegner bereits im 3. Zug statt seiner üblichen Spanischen Eröffnung diesmal die Italienische Eröffnung wählte. Dennoch kam ich eigentlich ganz gut aus der Eröffnung. Ich opferte zwar einen Bauern, erhielt dafür allerdings ausreichende Kompensation in Form von aktivem Figurenspiel und Druck gegen eine gegnerische Bauernschwäche. Im weiteren Verlauf verlor ich leider etwas den Faden, sodass mein Gegner nach einigen Ungenauigkeiten meinerseits in ein klar besseres Doppelturmendspiel abwickeln konnte. Ich erhoffte mir zwar immer noch einige Remischancen, doch mit guter Endspieltechnik ließ mir mein erfahrener Gegner keine Chance mehr, und verwertete souverän seinen Mehrbauern.
Durch diese Niederlage war ich erst einmal zurückgefallen, doch es kam noch schlimmer: In Runde 6 musste ich nämlich gegen die Nr. 1 der Setzliste, den Topfavoriten Karen H Grigoryan (ELO 2484) aus Armenien antreten. Im Falle einer Niederlage wären alle Träume von einer guten Platzierung begraben gewesen. Doch glücklicherweise kam es anders: Zwar überraschte mich mein Gegner in der Eröffnung, allerdings kannte ich mich trotzdem gut aus, da ich die von ihm gewählte Eröffnung selbst mit Schwarz spiele. Mit einem Bauernopfer spielte ich auf Angriff, und bekam sehr aktives Figurenspiel. Leider verpasste ich in beiderseitiger Zeitnot einen forcierten Gewinn, wonach mein Gegner einige Figuren abtauschen konnte. Das entstehende Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern und einem Mehrbauern war für mich trotzdem gewonnen, doch leider übersah ich kurz vor dem Sieg unnötigerweise einen letzten taktischen Trick, durch den sich mein Gegner per Springeropfer in ein Dauerschach retten konnte.
Obwohl ich mich natürlich sehr über die verpasste Chance ärgerte, den Turnierfavoriten zu besiegen, war eine sehr gute Platzierung immer noch erreichbar, vorausgesetzt, ich würde in Runde 7 mit Schwarz meinen aserbaidschanischen Kontrahenten Amil Abbasov (ELO 2144, Nr. 39 der Setzrangliste) besiegen. Die Partie fing auch sehr gut an, da ich mit meiner geliebten Modernen Verteidigung schnell eine sehr gute Stellung erreichte. Leider verrechnete ich mich in besserer Stellung und spielte ein Springeropfer, das sich leider als inkorrekt herausstellte, da ich einen eigentlich relativ simplenVerteidigungszug übersehen hatte. In gegnerischer Zeitnot versuchte ich in Verluststellung mit einem weiteren Figurenopfer die Stellung zu verkomplizieren, doch mein Gegner durchschaute die Falle und verwertete seine Gewinnstellung mit einem Damenopfer sicher zum Sieg.
Nach dieser völlig unnötigen Niederlage war eine Platzierung unter den Top-15 sehr unwahrscheinlich geworden, in den letzten beiden Runden wollte ich aber trotzdem noch einmal alles geben. In Runde 8 wurde ich mit Weiß gegen den US-Amerikaner John L. Hughes (ELO 2085, Nr. 51 der Setzrangliste) gelost, eine lösbar erscheinende Aufgabe. Obwohl es meinem Gegner gelang, mich in der Eröffnung zu überraschen, erreichte ich bald einen klaren Stellungsvorteil mit einem guten Springer gegen den gegnerischen schlechten Läufer. Nachdem ich meine überlegene Stellung dazu genutzt hatte, zwei gegnerische Bauern zu gewinnen, sah sich mein Gegner zu einem verzweifelten Qualitätsopfer genötigt. Die Dauerschach-Drohungen meines Gegners konnte ich jedoch leicht abwehren, sodass mein Gegner die hoffnungslose Partie aufgeben musste.
In Runde 9 führte ich die schwarzen Steine gegen den russischen FM Vladislav Terentjev, der mit einer Elozahl von 2344 mein erster zahlenmäßig annähernd gleichstarker Gegner war. Nachdem mein Gegner die Eröffnung relativ unambitioniert behandelt hatte, erreichte ich schnell eine bessere Stellung. Nach einigen ungenauen Zügen meinerseits verflachte die Partie dann allerdings zu einem völlig ausgeglichenen Endspiel, in dem wir uns dann einige Züge später auch auf ein Remis einigten.
Mit 5,5 Punkten aus 9 Runden erreichte ich schließlich den 20. Platz unter 104 Teilnehmern, womit ich natürlich nicht völlig zufrieden war. Dennoch ist es aber eine tolle Erfahrung gewesen, einmal an einer Weltmeisterschaft im schönen Brasilien teilzunehmen und mit den weltbesten Schachspielern die Klingen zu kreuzen.
Herzlich bedanken möchte ich mich abschließend bei allen Sponsoren, die mir durch ihre finanzielle Unterstützung die kostspielige Reise nach Brasilien ermöglicht haben, und natürlich auch bei all denjenigen die mir während der WM aus dem fernen Deutschland die Daumen gedrückt und mit mir mitgefiebert haben.“
Hier die Partien zum Nachspielen:
Download