Die Nordbayerischen Nachrichten haben die Dopingkontrollen bei der Deutschen Meisterschaft zum Anlass genommen, mit mir für die Lokalausgabe Forchheim am 4. April 2009 ein Interview zu führen. Herzlichen Dank an den Leiter der Sportredaktion Bruno Brostean für seine Initiative. Hier könt Ihr den Wortlaut nachlesen:
NN-Interview
«Taschenkontrolle sinnvoller als Dopingprobe» Seit kurzem ist auch am Schachbrett die Jagd auf Sünder eröffnet – Funktionär Udo Güldner hält wenig davon
Werfen sich nach Radprofis, Leicht- und Biathleten jetzt auch schon Schachgroßmeister Tabletten ein, um chemisch ihre Leistung am Brett zu steigern? Verdachtsmomente scheint es zu geben. Der Deutsche Schachbund führt seit neuestem Doping-Kontrollen durch. Wir sprachen mit dem Vorsitzenden des Schachclubs Forchheim, Udo Güldner.
Hallo Herr Güldner, Dopingkontrollen im Schach. Klingt wie ein Aprilscherz. Ist es einer?
Udo Güldner: Schön wäre es. Aber der Deutsche Olympische Sportbund und der Deutsche Schachbund meinen es durchaus ernst. Im Moment gibt es aber nur Wettkampf- und keine Trainingskontrollen. Für Aufsehen sorgte vor kurzem der Fall Wassili Iwantschuk. Der ukrainische Großmeister hat sich bei der Schach-Olympiade in Dresden einem Dopingtest entzogen. Ihm ist im Nachhinein aber nichts passiert. Da sieht man schon, was man davon zu halten hat.
Anabolika zum Muskelaufbau braucht der Schachspieler sicherlich nicht, Epo für mehr rote Blutkörperchen wohl auch nicht. Womit dopt sich der Schachspieler also, was bringt sein Gehirn illegal auf Touren?
Udo Güldner: Die üblichen Dopingmittel, die man vom Radsport oder vom Biathlon kennt, bringen beim Schach gar nichts. Trotzdem gilt die Liste der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) auch für uns. Viel wichtiger wäre aber eine Kontrolle, ob Schachspieler Computerprogramme nutzen. Aber die kann man ja nicht im Urin nachweisen. Da wären Taschenkontrollen viel effektiver. Aber dieses Fass macht der Deutsche Schachbund erstaunlicherweise nicht auf. Stattdessen wird ein Nebenkriegsschauplatz eröffnet.
Was trieb den Deutschen Schachbund, sich fast über Nacht zu Doping-Kontrollen zu entschließen, machte die Welt-Dopingagentur Wada auch am Schachbrett Druck?
Udo Güldner: Der Deutsche Schachbund hatte offensichtlich Angst, vom Deutschen Olympischen Sportbund den Status einer Sportart aberkannt zu bekommen. Da geht es natürlich um Einfluss und um Geld, vor allem um öffentliche Zuschüsse. Dabei hat man offensichtlich übersehen, dass Schach gar nicht als Sport anerkannt, wohl aber dem Sport «gleichgestellt» ist. Erschreckend ist in meinen Augen nur, wie willig und rückgratlos sich die Schachorganisation den Forderungen gebeugt hat.
Sie führen nicht nur den Schachclub Forchheim sondern sind selbst aktiver Turnierspieler. Mal offen, bringen Doping-Kontrollen überhaupt etwas?
Udo Güldner: Aus meiner Sicht bringen weder Doping noch Kontrollen am Schachbrett etwas. Auf absehbare Zeit wird es den normalen Turnierspieler auch nicht treffen. Ich selbst würde mich prinzipiell solchen Dopingtests verweigern, weil ich deren Sinnhaftigkeit nicht einsehe. Da nützt es auch nichts, dass beim Deutschen Schachbund immer von «Solidarität mit anderen Sportarten» als Begründung für die Dopingkontrollen gefaselt wird. Schach ist, weil das große Geld dort keine Rolle spielt, immer noch ein sehr sauberer und fairer Sport.
Durchgeführt worden sind bisher Kontrollen des Schachbundes bei Deutschen Meisterschaften. Wie läuft das ab?
Udo Güldner: Zuerst wird ausgelost, wer kontrolliert werden soll. Gleich nach dem letzten Zug wird der Spieler vom Schiedsrichter angesprochen und von zwei Offiziellen, einem Mann und einer Frau, abgeführt. Dann wird er befragt, ob er bestimmte Medikamente genommen hat, muss dieses schriftlich bestätigen. Danach geht es zur Urinprobe auf die Toilette. Ein Offizieller ist immer dabei und passt auf, dass niemand etwas austauscht oder ähnliches. Dann wird der Becher in A- und B-Probe aufgeteilt.
Waren auch schon Spieler des SC Forchheim betroffen?
Udo Güldner: Bei der Deutschen Meisterschaft 2009 in Saarbrücken wurde erstmals getestet. Dabei traf es die beiden Erstplatzierten, darunter auch unseren Spitzenspieler, Großmeister Michael Prusikin aus Nürnberg. Der hält das Ganze übrigens für Unsinn. Kurioserweise wurde auch der Dopingbeauftragte des Deutschen Schachbundes, Herbert Bastian, getestet, der die Meisterschaft mitspielte.
Und das Ergebnis dieser Kontrollen?
Udo Güldner: Wie nicht anders zu erwarten, gab es keine positiven Dopingtests.
Womit müsste ein Schachspieler rechnen, der beim Doping erwischt wird?
Udo Güldner: Erst einmal wird man für das laufende Turnier disqualifiziert. Dann gibt es eine zweijährige Sperre, wie in anderen Sportarten auch. Und wenn es ganz dumm läuft, werden Siege und Titel auch rückwirkend aberkannt. In Österreich gab es im letzten Jahr übrigens den Fall, dass eine Bezirksliga-Spielerin gesperrt wurde, weil sie eine Dopingkontrolle verweigert hatte. Da stand eines Sonntags in der Früh jemand vor der Tür und behauptete, von der NADA zu sein. Als die Frau erwartungsgemäß das Ganze für einen Scherz hielt und nicht öffnete, wurde sie sanktioniert und drei Wochen später gesperrt. Wenn das kein Irrsinn ist. BRUNO BROSTEAN“