Léon schreckt die Favoriten (Abschluss)

Léon Mons

Unser U14-Ausnahmespieler Léon Mons war nur einer von 324 Teilnehmern eines der größten und bestbesetzten Open des Jahres in Deutschland. Über 100 Großmeister, Internationale Meister und FIDE-Meister waren beim 2. Pfalz-Open in Neustadt an der Weinstraße am Start. Darunter auch gut ein Dutzend Weltklassespieler, wie der Turniersieger GM Sergej Tiviakov (2684). Mit 5,0 Punkten aus neun Runden erreichte Léon als Nr. 185 der Setzliste den sehr guten 103. Platz und macht rund 50 DWZ- und 20 ELO-Punkte gut (ELO 2127; DWZ 2105). Eugen Walter berichtet zum Abschluss des Turniers:
Turnierseite

Gegner von Léon Mons:

remis

IM Leonid Milov

(2539)

SC Noris Tarrasch Nürnberg
0:1

GM Vitaly Teterev

(2530)

Bulgarien
1:0

Jens Stöckel

(1853)

SF Leipzig-Südost
1:0

FM Bernard Bannink

(2280)

Niederlande
0:1

Ante Jadrijevic

(2257)

Kroatien
remis

FM Juri Ljubarskij

(2328)

PSC Hannover
0:1

IM Leon Piasetski

(2293)

Kanada
1:0

Günter Baust

(1918)

SG Kurpfalz
1:0

Andreas Lambert

(2224)

SK Ludwigshafen

Hier der Bericht Eugen Walters zu den Runden 1-3:

„Das 2. Pfalzopen findet in den Räumlichkeiten des Meininger-Verlags statt, eines Fachverlags für verschiedene Weinzeitschriften und entsprechende Fachbücher. Aber es sind dies nicht irgendwelche Räumlichkeiten, sondern es handelt sich um liebe- und stilvoll gestaltete Weinkeller, denen aus meiner Sicht nur eines fehlt: die verstaubten, aber gefüllten Weinregale. Bad luck!! Anmerkung wegen der Antidoping-Kampagne des Deutschen Schachbundes: Liebe Kinder und Jugendliche des SC Forchheim! Meine letzte Bemerkung war nicht ernst gemeint!!

Zum Turniergeschehen: Es ist schon verwunderlich! Da fährt man 300 Kilometer weit zu einem Schachturnier und trifft dann in der ersten Spielrunde auf einen Gegner aus einem Nachbarverein der Region. Léons Gegner in der ersten Runde des 2. Pfalzopen war kein anderer als der „Fast“-Großmeister des SC Noris Tarrasch, der IM Leonid Milov, mit einer Elozahl von 2539 die Nr. 23 der Setzrangliste und damit ein sicherer Punktverlust (!?) für Léon. Aber es kam anders.

Als Nachziehender spielte Léon gegen Schottisch seine „Tempoopfer“-Variante 4. … Lb4 und 5. …Lc5 und opferte in der Eröffnung, vermeintlich vorübergehend, einen Bauern, den er umgehend wieder „einzusacken“ gedachte. Aber gefehlt!! Der geopferte Bauer mutierte in einen isolierten, verdoppelten Mehrbauern auf der d-Linie, der indes keine wirkliche Bedrohung darstellte. Die Stellung verblieb im dynamischen Gleichgewicht. Als Milov dann in Zeitnot auch noch die Qualität einstellte, hatte Léon überhaupt keine Mühe zu remisieren. Gewinnversuche hätten allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit den Partieverlust zur Folge gehabt. Also – ein Auftakt nach Maß … – gut für das Selbstbewußtsein.

Einigermaßen unausgeschlafen ging es am Montag in die zweite Runde, die einzige Doppelrunde des Turniers. Gegner diesmal ein zweiter Titelträger, der GM Vitaly Teterev, der 2530 Elopunkte sein eigen nennt und damit auf Rang 25 der Setzrangliste geführt wird. Léon hätte seinen ersten Großmeisterskalp an den Gürtel heften können, bekam aber in der entscheidenden Partiephase vielleicht Angst vor der eigenen Courage. In einem Sizilianer beherrschte er Gegner und Figuren über 20 Züge lang sicher und sackte nebenbei zwei Bauern (= Mehrbauern) ein, um vermeintlich sicher zu gewinnen. Aber ein, zwei ungenaue Züge brachten Teterev wieder zurück ins Spiel und Léon um den verdienten Lohn. Tja – Großmeister muss man zweimal platt klopfen, damit sie wirklich platt sind. Aber die nächste Gelegenheit kommt bestimmt, nur dass jetzt das nächste Spiel gegen einen Titelträger hart erarbeitet werden muss.

Um den Kopf frei zu bekommen, machten Léon und ich zunächst einen Spaziergang und kehrten bei einem Griechen zum Mittagsmahle ein, den wir wahrscheinlich leider noch ein- bis zweimal heimsuchen müssen, da er nämlich wirklich gut war – und dazu auch garnicht teuer. Auf dem Wege durch die Altstadt bekam Léons Mittagsmahl noch Gesellschaft durch ein halbes Pizzastück, so dass wir uns gestärkt wieder auf den Weg in den „Untergrund“ machten, in die Weinkellereien.

Gegner der dritten Runde war Jens Stöckel von Leizig Südost (DWZ 1853, Setzrangliste Nr. 276) als Weißspieler , ein schlagbarer Gegner, wie es schien. Und das war er dann auch. In einer spanischen Partie im Lc5-System hatte Léon keine Mühe, optimal, d.h. mit aktiver Stellung aus der Eröffnung herauszukommen. In der Folgezeit gelang es ihm, seinem Gegner einen doppelt rückständigen Bauern auf der d-Linie anzuhängen, als dauerhafte Schwäche und späteres Opfer auserkoren, das er auch wurde. Das Bäuerlein wanderte in die Schachtel, und das entstandene Turmendspiel war für Stöckel dermaßen perspektivlos, dass er (rechtzeitig) aufgab.
Den nächsten Titelträger verdient !? Jawoll!!! In der vierten Runde geht es gegen den Niederländer Bernard Bannink in den Kampf, seines Zeichens FM und mit einer Elozahl von 2280 (Setzrangliste Nr. 92) wieder ein „Kracher“ (der aber in der Partie hoffentlich „zusammenkracht“ !).“

Hier Eugen Walters Bericht zur 4. Runde:

„In der vierten Runde hatte Léon als Weißspieler gegen den niederländischen FM Bernard Bannink zu spielen, mit einer Elozahl von 2280 ein weiterer „Kracher“. Aber hatte dieser auf irgendeine geheimnisvolle Art und Weise („Mist-ery“ nennt man dies heute wohl auf Neudeutsch !?) meine Gedanken zum „Zusammenkrachen“ aus meinem Vorbericht vernommen!? Genauso kam es!! In einem Sizilianer mit 2. … e6, ein System, gegen das Léon noch nicht so oft gespielt hat, baute er eine überlegene Position auf, indem er auf der c-Linie einen Doppelbauern zuließ, so gleichzeitig die b-Linie öffnend, ohne dass der Schwarzspieler auf die andere Seite rochieren konnte. Dieser musste mit g6 auch noch seinen Königsflügel schwächen, was den schwarzfeldrigen Läufer zu einem Ausflug nach h6 veranlasste. Als im 26. Zug ein Figurenverlust nicht mehr zu vermeiden war, gab Bannink nach etwas über drei Stunden Spielzeit die Partie berechtigt auf. Eindreiviertel Stunden davon hatte Bannink verbraucht. Schon fast verwunderlich war, wie locker-leicht Léon einen 2280er Spieler an die Wand spielte. Dementsprechend „gut drauf“ war er natürlich nach dem Partienende. Es „droht“ jetzt ein weiterer Titelträger (der natürlich auch „niedergemetzelt“ wird!?).“

Hier Eugen Walters Bericht zur 5. Runde:

„Meine schlechteste Partie in diesem Jahr“, so kommentierte Léon selbstkritisch nach dreieinhalb Stunden letztlich vergeblichen Kampfes seine Niederlage gegen Ante Jadrijevic aus Kroation (Elo 2257). Nach den Eröffnungszügen 1. d4 d6 2. e4 g6 3. Lg5 Lg7 4. c3 Sf6 war Jadrijevics „Spezialaufbau“ auf dem Brett, den Léon sich in der Partievorbereitung kurz angeschaut hatte. Er entwickelte einen prinzipiell richtigen Plan dagegen, der ein aktives Figurenspiel am Königsflügel vorsah, wich aber von diesem Plan nach 10, 12 Zügen ab und stellte dann ohne Not im 21. Zug den Bauern b7 ein, indem er seinen Lc8 nach d7 „entwickelte“. Die Folge war, dass nach einigen Zügen sein Damenflügel zusammenbrach. Versuche, die Spielsituation auf dem Königsflügel durch einige taktische Sticheleien zu komplizieren, konterte Jadrijevic dadurch, dass er sich garnicht auf selbige einließ und die Partie sicher zum vorhersehbaren Ende brachte. Etwas frustriert gab Léon auf. In den weiteren Spielrunden jetzt noch einen weiteren Titelträger zugelost zu bekommen, wird wohl schwierig werden. Aber Göttin Fortuna klopfte bei der Auslosung an die Tür und bescherte Léon für die 6. Runde zu seinem Glück den FM Juri Ljubarskij (Elo 2328), eine weitere große spielerische Herausforderung.“

Nachtrag zur 5. Runde:

„Und wie war das mit „Leon und das Handy“ in der 5. Runde. Es hätte der mysteriöse Titel für einen Kriminalfilm sein können. Was war passiert !? Léons Gegner in der 5. Runde, der Kroate Jadrijevic, aktivierte während der Partie vier oder fünf Male sein Handy, um sich irgendwelche Informationen anzuschauen. Und Léon … !? War zwar „angenervt“ und schätzte das Verhalten im Nachhinein als unsportlich ein, monierte es beim Schiedsrichter aber nicht. Ein unmittelbarer Punktgewinn für ihn wäre die Folge gewesen. Ich war eigentlich froh, dass er´s nicht moniert hatte, denn letztendlich hat Léon die 5. Partie (schlecht)spielerisch verloren, und Erfolge wollen erkämpft werden.“

Hier Eugen Walters Bericht zur 6. Runde:

„Nachdem wir nochmals den Griechen zum Mittagsmahle heimgesucht hatten (Léon war „großzügig“ und überließ mir auch seine Portion Salat zum Verspeisen, was ich auch stöhnend, wenig später schwitzend übernahm – Liest Du, mein Weib!?), durchstreiften wir die Altstadt auf der Jagd nach einem Mitbringsel für Sohn Nr 2, Ruben. Und eine nahezu „revolutionäre Handlung“!! Erstmals in meinem Leben lud ich selbst (!!) mein Handy auf (Hallo Ingrid, ich kann´s jetzt !). Léons 6. Partie wurde keine „Göttliche Komödie“, sondern eher eine „Komödie der Irrungen und Wirrungen“, die meinen Blutdruck wahrscheinlich in ungeahnte Höhen getrieben hätte, hätte ich mir diese Partie denn angeschaut. Eigentlich hätte sein Gegner, FM Jurij Ljubarskij, mit einer Elozahl von 2328 ein unüberwindliches Hindernis darstellen sollen. Aber wieder erreichte Léon eine Gewinnstellung, die er abermals nicht realisierte (s. 2. Runde). Die Fakten: 55 gespielte Züge, ca. dreieinhalb Stunden Spielzeit, Endergebis REMIS, Höhen und Tiefen!! In einem Läuferspiel setzte Léon als Weißspieler seinen Gegner FM Ljubarskij am Königsflügel gehörig unter Druck, was nach 29 Zügen zum Qualitätsgewinn führte. Stellung GEWONNEN. Gleich zwei Züge später setzte er die Partie aber so schwach fort, ein krasses Übersehen gegnerischer Möglichkeiten, dass sein Königsflügel zusammenbrach und er gegen Mattdrohungen zu kämpfen hatte, so dass er seine Dame „opfern“ musste. Zwei Türme gegen die Dame + 2 Bauern: ein schlechtes Geschäft bei positionell ruinierter Stellung. Stellung VERLOREN. Der Kampf ums nackte Überleben war angesagt. Diesen Kampf führte Léon aktiv, indem er einen Turm auf die offene d-Linie überführte und ihn auf die 7. Reihe brachte, so dass der gegnerische König auf der Grundreihe verbleiben musste. In Zusammenarbeit mit seinem verbliebenen Springer ergab sich dann eine nette kleine Dauerschachschaukel. Endergebnis REMIS. „Mit dem Endergebnis bin ich zufrieden, mit dem Partieverlauf hingegen nicht“, konstatierte er abschließend lakonisch. Wahrscheinlich muss man das Endergebnis als „O.K.“ einschätzen, angesichts ausgeglichener „Glücksmomente“ für beide Spieler. Und da die Glücksgöttin FORTUNA an diesem Tage ihren Ruhetag nahm, bescherte denn in Vertretung die Schachgötiin CAISSA Léon für die 7. Runde einen weiteren Titelträger, den kanadischen IM und Namensvetter Leon Piasetski (Elo 2293). Schau´n mer mal, was geht!“

Hier Eugen Walters Bericht zur 7. und 8. Runde:

„Zur 7. Runde ist nur lapidar festzustellen: „Leon hat gewonnen !!“ (Aus meiner Sicht leider der „falsche“, der kanadische Leon!). Selbiger hat in den 70er/80er Jahren des letzten Jahrhunderts (Hört, hört !!) seine Normen zum IM gemacht, nach eigenen Aussagen eine Zeit, in der es schwieriger war, IM-Normen zu machen als heute GM-Normen bei der Vielzahl von Turnieren, die es heute gibt (und damals eben nicht) und hatte zu seinen besten Zeiten eine Elozahl um die 2450. Leon (der kanadische !) soll Mitte bis Ende 50 sein, wirkt aber wesentlich jünger und ist dynamisch und hat sich in der anschließenden Analyse als „sausympathischer Kerl“ gezeigt, der Léon (dem Forchheimer) noch eine ganze Menge Anregungen zur Verbesserung seines Spiels gegeben hat. In einem Königsinder hat Léon (der Forchheimer) als Schwarzspieler die Eröffnung eigentlich ganz gut behandelt, ließ aber nach ca. 15 Zügen mit a5 ein Bauernopfer auf dem Damenflügel zu, das er unterschätzte. In der Folgezeit erhielt der kanadische Leon ein Druckspiel dafür, das zum Rückgewinn des Bauern und späteren Zusammenbruch des Damenflügels führte. Insgesamt eine „schlecht getimte“ Partieanlage des Forchheimer Léon, der einige Möglichkeiten ungenutzt ließ. Da wartet noch einige eröffnungstheoretische Arbeit zu Hause. Ganz anders die Partie in der 8. Runde, die eigentlich keine wirkliche Partie war. Als Weißspieler hatte Léon (Richtig: der Forchheimer!!) gegen Günter Baust von der SG Kurpfalz zu spielen, mit einer Elozahl von 1918 einer der schwächeren seiner bisherigen Gegenspieler. In einem 2. … e6-Sizilianer gewann Léon nach 20 Zügen durch ein simples Abzugsschach (21. Ld3-h7+) die Qualität, und der Rest war eine „Sache der Technik“, wie es in solchen Zusammenhängen immer so schön heißt. Die allerdings gekonnt sein will und noch ca. 40 Züge in Anspruch nahm. Aber ein Bedenkzeitverbrauch von 2:15 Std. für den Schwarzspieler und von 0:55 Std. für den Weißspieler spricht eine deutliche Sprache. Hat Léon sich damit noch einmal für „höhere Weihen“, sprich einen spielstärkeren Gegner, empfohlen!? Léon(id) Milov, Léons Gegner der ersten Runde, ist in dieser Runde übrigens als Weißspieler fürchterlich gegen den Setzranglisten Sergej Tiviakov aus den Niederlanden eingegangen, der das Turnier wohl gewinnen wird und „völlig unerwartet“ sein heiß geliebtes Skandinavisch zelebrierte.“

Hier Eugen Walters Bericht zur 9. Runde:

„Das „Losglück“ bescherte Léon als Weißspieler in der 9. Runde noch einmal einen „dicken Brocken“, Andreas Lambert vom SK Ludwigshafen (DWZ 2224). (Nach der Partie meinte Léon aber, dass er eher nur wohlgenährt, denn ein „dicker“ Brocken sei.). Und wieder wurde es ein Sizilianer, diesmal ein „beschleunigter Drachen“ mit 2. …g6, der allerdings kein Feuer spucken sollte, wie sich später herausstellte. Souverän stellte Lèon in einer altbekannten Eröffnungsfalle bereits im 7. Zug einen Bauern ein und stand damit tendenziell auf Verlust. Und was machte dieser „rotzfreche Bengel“!? Er spielte auf schnelle Entwicklung, so als ob er den Bauern geopfert habe. Nach beiderseitiger kurzer Rochade stellte er die Türme auf die d- und die e-Linie und setzte mit 21. g4 und 23. h4 den Büchsenöffner an die gegnerische Königsstellung. Deutlich war das Jaulen der Motorsäge am gegnerischen Baume zu hören. Nach dem Figurenopfer 29. Lxd5 kündigte sich ein Mattfinale an, das Lambert sich aber partout nicht mehr zeigen lassen wollte. Warum eigentlich nicht!? Ich …, also ich hab´ die Partie nicht verstanden. Und warum passiert mir so etwas nie (Neid! Neid!)!? Als Setzranglisten-185. war schließlich der 103. Rang der Lohn für ca. 30-32 Stunden aufregenden, schweißtreibenden Schachspiels. Einen Ratingpreis konnte Léon zwar nicht entführen, aber das war auch gar nicht das Ziel für dieses Turnier. Letztendlich hat er sich „tierisch“ darüber gefreut, 52 DWZ- und 18-Elopunkte „einzusacken“ und die 2100er DWZ-Marke zu knacken. Leute jetzt schon einmal VORMERKEN: das 3. Pfalzopen wird im nächsten Jahr in der Faschingswoche stattfinden, dann in noch größerem Rahmen, aber leider nicht mehr in den Weinkellern (die nicht „gefüllt“ waren, falls ich das zu sagen vergaß!?).“