Neu bei uns: CM Ludwig Zier

Ludwig Zier

Sein Sohn Oliver und seine Tochter Verena sind bereits Mitglieder bei uns. Jetzt ist auch CM Ludwig Zier zu uns gestoßen und hat seine Frau Sabine gleich mitgebracht. Mit dem 53-Jährigen hat es ein echtes oberfränkisches Urgestein zu uns verschlagen. CM Ludwig Zier hat in seiner Schachkarriere bereits Bundesliga-Erfahrung und manchen Turniersieg gesammelt. Und das, obwohl er seit seiner Kindheit blind ist und die meisten seiner Gegner niemals gesehen hat. Das hat CM Ludwig Zier aber nicht davon abgehalten, an vielen Turnieren teilzunehmen, Schachtraining zu geben und sogar eine Schachabteilung und ein großes Open an seinem Wohnort Wunsiedel aus dem Boden zu stampfen. Nachdem die SpVgg Wunsiedel sich mehr auf Breitenschach und weniger auf Leistungsschach konzentrieren wollte, war der Weggang von dort vorgezeichnet. Herzlich willkommen bei uns! Jetzt soll CM Ludwig Zier aber selbst zu Wort kommen:

Seit wann bist Du Candidate Master (CM)?

Seit November 2008. Aber die geforderten Voraussetzungen habe ich schon seit der Einführung dieses Titels.

Wie kam es zur Gründung des Wunsiedler Schach-Open?

Die ersten Gespräche fanden bereits 2005 mit Jürgen Lenz statt. Da wir jährlich ca. acht bis zehn Turniere spielen, und diese zumeist weite Fahrten und auch erhebliche Übernachtungskosten erfordern, wollten wir mal etwas vor der eigenen Haustüre haben. Im Sommer 2006 wurde dann die Planung konkret aufgenommen. Der Auftakt fand dann 2007 statt. Heuer wird das Turnier vom 21. Mai bis 24. Mai durchgeführt.

Warum hast Du in Wunsiedel eine Schachabteilung gegründet?

Seit 2001 gebe ich an der Grundschule Wunsiedel (nun auch Gymnasium und Realschule) Schachunterricht. Nachdem die Kinder auch Spielmöglichkeiten außerhalb der Schule suchten, und diese in Wunsiedel nicht so recht gegeben waren, trugen einige Eltern den Wunsch an mich heran, hier einen Schachverein bzw. eine Schachabteilung aufzubauen. Es kam dann im Mai 2003 zur Gründung einer Schachabteilung bei der Spielvereinigung Wunsiedel. Es gestaltete sich am Anfang ziemlich schwierig, da ich von Null beginnen musste. Hier unterstützte mich meine Familie tatkräftig. Es gelang mir auch, einige befreundete Spieler in die Schachabteilung zu holen. Die Folge war, dass wir drei Mal hintereinander aufsteigen konnten. Im Mai 2008 habe ich dann aus gesundheitlichen Gründen die Abteilungsleitung abgegeben.

Hast Du immer schon in Wunsiedel gelebt?

Ich bin 1955 in Nagel, einer kleinen Gemeinde ca. 15 Kilometer von Wunsiedel entfernt, geboren und aufgewachsen. Seit 1983 lebe ich in Wunsiedel. Beruflich war ich über 25 Jahre beim Landratsamt Wunsiedel beschäftigt. Seit einigen Jahren bin ich aus gesundheitlichen Gründen erwerbsunfähig geworden.

Warst Du schon immer blind?

Ich bin im Alter von neun Jahren vollständig erblindet (grüner Star). Vorher hatte ich noch einen gewissen Sehrest.

Wieviele Blinden-Schach-Olympiaden hast Du absolviert?

Ich nahm an drei Blindenschacholympiaden teil (Finnland, Spanien und Ungarn). 1980 verzichtete ich auf eine Teilnahme zu Gunsten einer anderen Veranstaltung. Von 1981 bis 1989 gewann ich in ununterbrochener Reihenfolge die Deutsche Blindenschachmeisterschaft, insgesamt viermal (jeweils ungeschlagen). 1982 belegte ich bei der Blindeneinzel-Weltmeisterschaft in Hastings (England) den 4. Platz. 1988 belegte ich mit der deutschen Mannschaft bei der Blindenschacholympiade in Ungarn am 1. Brett spielend den 3. Platz.

Hast Du auch schon bei der „richtigen“ Schacholympiade gespielt?

Zu meiner aktiven Zeit im Blindenschach konnte die IBCA (Internationaler Blindenweltschachverband) noch keine Mannschaft bei der Olympiade der Sehenden an den Start schicken.

Bei welchem Verein hast Du in der 2. Bundesliga gespielt?

Ich spielte in der 2. Bundesliga für Straubing, Passau und Hof. Zu Straubing kam ich durch Vermittlung meines Freundes Klaus Lindörfer. Danach wechselte ich nach Passau. Hier spielte mittlerweile mein väterlicher Freund GM Ludek Pachmann, den ich häufig besuchte. In den 90er Jahren spielte ich dann für den SK Hof. Ich hatte bei Hof eine gute Saison mit 3,5 Punkten aus 5 Partien. 1997 verlor Hof seine Titelträger, da die finanzielle Unterstützung durch den Tod des Gönners weg fiel. Inzwischen hatte ich schon gesundheitliche Probleme und ich wollte keine so großen Anstrengungen mehr auf mich nehmen.

Spielst Du noch Blindenschach, Fernschach oder Nahschach?

Seit 1990 spiele ich nicht mehr im Blindenschach. Mein letztes Turnier im Blindenschach war ein Turniersieg in England. 2003 habe ich mit dem Fernschach aufgehört, da mir die Computerdominanz zu groß wurde. Turniere spiele ich seit 2003 nicht mehr. Mannschaftskämpfe habe ich bis 2008 für Wunsiedel gespielt. Ich habe 4-mal an den deutschen Meisterschaften der Sehenden teilgenommen (fast immer 4,5 aus 11). Ich war Zweiter beim Open in Limoges (Frankreich); Zweiter beim Open in Bergamo (Italien); 5.-7. Platz bei Eloturnier in München; 7. Platz bei Open Bad Ragaz (Schweiz). Teilnahme am OHRA-Großmeisterturnier B in Amsterdam und Teilnahme am IBM-Einladungsturnier in Wien (Sieger Karpow).

Bist Du ausgebildeter Trainer?

Nein. Meine Kenntnisse habe ich mir im Laufe meiner aktiven Zeit erworben. Hier habe ich u. a. mit GM Ludek Pachmann, IM Dr. Helmut Reefschläger und IM Cenek Kottnauer zusammengearbeitet.

Bei welchen Vereinen hast Du bislang gespielt?

Als erstes in der Blindenschachgruppe Nürnberg. Hier ging ich zur Schule. Danach sechs Jahre beim SK Hof in der Ober- und Landesliga. Hof zählte Mitte der 70er Jahre auch zu den stärksten Vereinsjugendmannschaften Deutschlands. Ich spielte u. a. mit meinem Freund Dieter Seyb in einer Mannschaft. Von
1980 bis 1982 spielte ich mit GM Ludek Pachmann, IM Cenek Kottnauer, FIM Petra Feustel in Thallichtenberg (Rheinland-Pfalz). Dann kamen die Zweitligajahre in Straubing und Passau. Von 1985 bis 1991 spielte ich dann bei dem SC Wunsiedel. Hier gelang uns der Aufstieg in die Regionalliga. Später ging ich wieder nach Hof. Von 1999 bis 2002 spielte ich in der Regionalliga in Marktleuthen. Ab 2003 bei der neu gegründeten Schachabteilung der SV Wunsiedel.

Hast Du im Fernschach Titel errungen? Bist Du FS-IM oder -GM?

2002 wurde ich Fernschach IM (ohne PC-Unterstützung). Fernschach spiele ich seit ca. 30 Jahren. Mit etwas mehr Aufmerksamkeit aber erst seit 1991. Ich konnte hier das EU/M/GT/368 (Europäisches Großturnier Meisterklasse) mit 12 aus 14 gewinnen. Ein weiteres europäisches Meisterturnier (MN/2)
konnte ich mit 8 aus 10 gewinnen (1. IM-Norm). Im MN/75 erreichte ich 7 aus 10 (2. IM-Norm und Titelgewinn). Meine Fernschach-Elo betrug damals ca. 2480. Ich bedauere die Entwicklung im Fernschach, da starke PC-Programme zu sehr Einfluss genommen haben. Ich selbst kann solche Programme nur in sehr begrenztem Umfang benutzen, da ein Blinder große Probleme mit der grafischen Benutzeroberfläche hat.

Kannst Du Dich noch erinnern, wer Dich zum Schach gebracht hat und was Deine ersten Turniererfahrungen waren?

Schach habe ich mit 14 Jahren an der Blindenschule in Nürnberg gelernt. 1972 belegte ich bei der Mittelfränkischen Jugendmeisterschaft (hier gab es damals nur eine Altersklasse) den 3. Platz. Hier spielten auch meine Freunde Manfred Heidrich und Berthold Bartsch mit. Im gleichen Jahr gewann ich das Kandidatenturnier des Deutschen Blindenschachbundes und konnte mich für die Meisterklasse qualifizieren.

Welche „Skalps“ berühmter Schachspieler hast Du schon eingesammelt?

Ich spielte in meiner aktiven Zeit gegen ca. 20 Großmeister. Hiervon erreichte ich neun Remispartien. Mein bekanntester Gegner dürfte GM Ivan Sokolov gewesen sein. Gegen zwei oder drei Internationale Meister konnte ich gewinnen.

Bist Du für Deine Verdienste schon geehrt worden?

1985 wurde ich durch den damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker in Bonn nach dem dreimaligem Gewinn der Deutschen Meisterschaft geehrt. 1989 wurde die deutsche Blindenschacholympiamannschaft, nach dem Gewinn der Bronzemedaille in Ungarn, in das Bundeskanzleramt eingeladen. Hier wurden wir zusammen mit anderen Behindertensportlern durch Bundeskanzler Kohl und dem damaligen Innenminister Schäuble geehrt. Es gab natürlich auch zahlreiche Ehrungen durch den Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge und der Stadt Wunsiedel. Auch wurde ich durch die Städte Nürnberg und Passau geehrt.

Du engagierst Dich ja auch im Schulschach?

Seit 2001 wird bei uns aufgrund meiner Initiative zum ersten Mal Schach an der Grundschule in Wunsiedel angeboten (Klassen 1 bis 4). Ich bin für den inhaltlichen Ablauf verantwortlich. Um die Aufsicht zu übernehmen und mir die Züge auf dem Demonstrationsbrett auszuführen, steht mir ein Lehrer zur Seite. Den Kurs besuchten regelmäßig etwa 20 Kinder (6 bis 10 Jahre). In manchen Schuljahren werden sogar mehrere Kurse angeboten (für Fortgeschrittene und für Anfänger). Zum Schulschach möchte ich noch folgendes anmerken: In der Grundschule gebe ich seit 2001, im Gymnasium seit 2003 und in der Realschule seit 2004 Unterricht. Erfolge: zweimal 3. Platz bei der Deutschen Grundschulmeisterschaft, 2006 Bayerischer Schulschachmeister mit dem Gymnasium. An den Schulschacherfolgen waren meine Kinder Oliver und Verena maßgeblich beteiligt.

Welchen Rat gibst Du denjenigen, die sich ernsthaft mit dem Schachspiel beschäftigen möchten?

Sich möglichst in vielen Teilbereichen des Schachs zu informieren und sich „umzusehen“. Unerlässlich ist das Studium alter Meister. Standardwerke wie Nimzowitsch „Mein System“ oder Kmoch „Die Kunst der Bauernführung“ oder klassische Turnierbücher sollten zur Ausbildung eines jeden Schachspielers gehören.

Wie sieht Deine schachliche Planung für die Zukunft aus?

Ich werde die schachliche Entwicklung meiner Kinder Oliver und Verena fördern. Außerdem versuche ich noch den Schulschachunterricht in den
Wunsiedler Schulen fortzuführen. Auch das Stützpunkttraining für die Bayerische Schachjugend (BSJ) in Wunsiedel würde ich gerne noch weiterführen. Wenn es die Gesundheit erlaubt, würde ich gerne mit meinem Sohn Oliver zumindest ein bis zwei Wettkämpfe in der gleichen Mannschaft für meinen neuen Verein Forchheim spielen.


Herzlichen Dank für das Interview.

Hier einige Partien zum Nachspielen:
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