Erstklassige Berichte Teil 7

Hans-Jürgen Döres – Andreas Schenk

Die Rückschau in die Erstliga-Saison 2002/2003 geht in die letzten Runden. Heute mit den Wettkämpfen gegen den späteren Meister SC Baden-Oos und die „schlagbaren“ Stuttgarter SF. Besonders eindrücklich für mich waren zwei Jirovsky-Endspiele mit ungleichfarbigen Läufern, die unser Spieler mit viel Witz und Originalität gewinnen konnte. Eindrucksvoll auch die stundenlangen Analysen zwischen Heidrich und Hübner, die allen Verästelungen der Holländischen Eröffnung bis ins Endspiel nachspürten. Aber lest selbst nach:

Michail Golubev – Milos Jirovsky

In der 6. Runde der 1. Bundesliga gegen das Schlusslicht SF 1879 Stuttgart verlor der SC Forchheim unglücklich mit 3,5:4,5 und hat damit die Rote Laterne der Liga übernommen. Das Team von FM Berthold Bartsch hatte gleich zu Beginn mit drei unnötigen und allzu schnell aufgetretenen Verlusten zu kämpfen, wovon man sich, trotz einiger Klasseleistungen nicht mehr erholen konnte. Star des Wochenendes war sicherlich IM Milos Jirovsky, der mit den Erfolgen gegen GM Rustem Dautov (ELO 2617) und GM Mihail Golubev (2528) zielstrebig auf eine Großmeister-Norm hinstrebt. Wermutstropfen ist jedoch die Tatsache, dass der SC Forchheim damit erneut eine wichtige Chance zum Punktgewinn hat verstreichen lassen, und damit wohl kaum noch Chancen auf den Klassenerhalt bestehen, zumal die „noch schlagbaren Gegner“ Erfurter SK oder SK König Plauen nominell noch stärker besetzt sind als die Stuttgarter und nur mit dem finanziell bedingten Rückzug eines Vereines zu rechnen sein wird. Außerdem haben die direkten Abstiegskonkurrenten aus Sachsen und Thüringen an diesem Wochenende gepunktet, so dass das rettende Ufer drei Zähler entfernt liegt.

Rainer Buhmann – Vlastimil Jansa

Am Spitzenbrett stand IM Michael Prusikhin gegen den Deutschen Meister von 1998, GM Jörg Hickl, der zur Überraschung aller nun doch noch sein Saisondebüt im deutschen Oberhaus absolvierte, lange Zeit etwas im Nachteil, doch in einer heftigen Zeitnotschlacht, in der beide akut vom Partieverlust bedroht waren, schaffte IM Prusikhin die Wendung zum Ausgleich und zum Unentschieden. Am 2. Brett hatte GM Vlastimil Jansa gegen den noch titellosen Rainer Buhmann zunächst größere positionelle Vorteile, die sich allerdings, auf Grund gewissenhaften Spiels des Stuttgarters und nachlässigen Agierens des vor kurzem 60 Jahre gewordenen Pragers, immer weiter minimierten. Schließlich einigten sich beide nach einer im ausge-glichenen Turm-Endspiel auf das Remis. Am 3. Brett überzeugte einmal mehr IM Milos Jirovsky gegen den Ukrainer GM Mihail Golubev durch einen Sieg. Der Tscheche, der mit den schwarzen Steinen zu Beginn des Matches den Ansturm des 32-jährigen Gegners abzuwehren hatte und dies ausgezeichnet absolvierte, konterte im Mittelspiel und erreichte Initiative, die sich zuletzt auch im Material (Mehrbauer) auszahlte. Nach dem Turm-Tausch kam es zu einem Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern. Wie bereits am Vortag ließ der Koliner dem Großmeister durch geschickte Manöver und Dank der Bauernschwächen seines Gegners diesen nicht mehr ins Spiel zurückkommen.

Florian Jenni – Manfred Heidrich

Am 4. Brett musste FM Manfred Heidrich gegen den Schweizer IM Florian Jenni schon in der Eröffnung die Segel streichen. Nach der Schwächung der h1-a8-Diagonale drohte der baldige Großmeister, der wie auch IM Prusikhin in der Schweizer Nationalliga A aktiv ist, mit Gewinn die fragile Stellung des Forchheimers zu überrennen. So gab FM Heidrich, der am Vortag noch glänzend agiert hatte, schon nach etwa einer Stunde seine Partie verloren. Am 5. Brett eröffnete FM Berthold Bartsch Sizilianisch, eine seiner stärksten Eröffnungen, verpasste jedoch den stellungsmäßigen Ausgleich und sah sich bald darauf einem massiven Schwerfiguren-Angriff des Stuttgarters ausgesetzt, der die Felderschwächen konsequent nutze, um entweder Matt zu setzen oder einen Turm zu erobern. In dieser Lage blieb dem Forchheimer Mannschaftskapitän nur mehr die Aufgabe.

Matthias Duppel – Berthold Bartsch

Am 6. Brett hatte Hans-Jürgen Döres gegen IM Dimitrij Bunzmann in nur 27 Zügen keinerlei Chance. Bunzmann attackierte am Damenflügel und gewann dort einen Turm, den sich Doeres nur Dank eines waghalsigen Gegenangriffes wiederholen konnte. Damit fehlte ihm allerdings seine Dame zur Verteidigung, was letztlich unweigerlich zum Matt geführt hätte. Am 7. Brett traf Jörn Bade auf einen alten Bekannten aus dem DDR-Jugendschach, FM Thomas Heinatz. Der Ex-Ehemann der vormaligen SC-Spitzenspielerin WIM Dr. Gundula Heinatz spielte von Anfang an mit dem Ziel eines mannschaftsdienlichen Remis. Was auch immer Bade versuchte, um die Partie vorteilhaft zu gestalten, der selten spielende FM Heinatz glich stets aus. Am Schlussbrett gelang Stefan Lang gegen FM Wolfgang Schmid sein erster Bundesliga-Sieg. Mit den weißen Steinen attackierte Lang vom ersten Zug an die Stellung des Gegners, der mit einigen ungenauen Zügen seine Lage noch verschlechterte. Schließlich startete der Landesliga-Akteur des SC Forchheim einen unwiderstehlichen Mattangriff, der nach kurzer Gegenwehr auch zum Erfolg führte.

Klare 2,5:5,5 Niederlage gegen den Favoriten Baden-Oos

Vlastimil Jansa – Michail Krasenkov

Ohne FM Hans Niedermaier, der beruflich verhindert war, und ohne Johannes Zwanzger, der eine wichtige Studienprüfung zu absolvieren hatte, reiste der SC Forchheim in der 5. Runde der 1. Bundesliga nach Stuttgart. Mit den Ersatzleuten Jörn Bade (zuletzt bereits in Tegernsee im Einsatz) und Stefan Lang (Bundesliga-Debut) schien sich die Einschätzung von Hartmut Metz aus den Stuttgarter Nachrichten zu bewahrheiten: „Äußerst einseitig wird hingegen am Samstag das Duell zwischen Anand und seinen Kollegen gegen Forchheim verlaufen.“ Doch weder spielte der Weltranglisten-Dritte, der zusammen mit GM Roland Schmaltz kiebitzte, noch war der Wettkampf, wie von Beobachtern erwartet, eine einseitige Veranstaltung. An mehreren Brettern taten sich die Favoriten des souverän aufgestiegenen SC Baden-Oos, der vor der Saison mit zu den Titelaspiranten gezählt worden war, sehr schwer, auch wenn das Endergebnis mit 5,5:2,5 für den SC Baden-Oos deutlich ausfiel.

Michael Prusikhin – Peter Svidler

Am Spitzenbrett konnte IM Michael Prusikhin die Partie gegen den Russen GM Peter Svidler lange ausgeglichen gestalten, verbrauchte dafür allerdings auch sehr viel Bedenkzeit. Mit ausgeglichenem Material gingen beide ins Turm-Endspiel mit jeweils zwei Leichtfiguren. Hier erwiesen sich die aktiven Figuren Turm und Springer auf Seiten des WM-Halbfinalisten als spielentscheidend. Am 2. Brett kam GM Vlastimil Jansa gegen den gebürtigen Russen GM Mihal Krasenkov, der für Polen startet, nicht besonders aktiv aus der Eröffnung heraus und stand, auf Grund der starken Bauern seines Kontrahenten, ziemlich passiv. Nachdem er den das Spiel ausgleichenden Damen-Zug übersehen hatte, geriet GM Jansa in der eigenen Königsstellung heftig in Bedrängnis und musste die Partie schließlich aufgeben, nachdem GM Krasenkov einen Schwerfiguren-Angriff auf den König des Forch-heimers entfesselt hatte. Am 3. Brett hatte es der gesundheitlich angeschlagene IM Milos Jirovsky mit GM Rustem Dautov zu tun. Lange Zeit schien der deutsche Nationalspieler mit den schwarzen Steinen am Drücker zu sein, doch im Leichtfiguren-Endspiel manövrierte IM Jirovsky außerordentlich geschickt, führte seinen König heran und verschaffte sich einen Freibauern.

Manfred Heidrich – Robert Hübner

GM Dautov opferte in der Folge zwei Bauern, um im Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern eine „Festung“ zu errichten, rechnete aber nicht mit zwei Gegenopfern, die IM Jirovsky positionell weiter auf die Siegerstraße brachten. Der Freibauer des Forchheimers war nach dem erfolgten Qualitätsgewinn (Läufer gegen Bauer) nicht mehr aufzuhalten. Am 4. Brett verteidigte sich FM Manfred Heidrich gegen Altmeister GM Dr. Robert Hübner in der Holländischen Eröffnung sehr passiv. Überhaupt schien diese Partie, nach Ansicht mehrerer Zuschauer, diejenige zu sein, die als erste beendet sein würde, auch wenn FM Heidrich sehr viel Bedenkzeit verbrauchte und sogar in extreme Zeitnot geriet (zwei Minuten für zehn Züge in unübersichtlicher Stelung). Doch FM Heidrich vertei-digte gekonnt und ließ auch im Turm-Endspiel, in dem noch einige Fallstricke zu umgehen waren, den Ex-Nationalspieler nicht entscheidend in Vorteil geraten. Am Ende lehnte GM Hübner zwar ein Remisangebot im Flüsterton „Nein, Nein, Nein“ ab, doch wenige Minuten später hatte er die Aussichtslosigkeit seiner Bemühungen eingesehen – Remis.

Stefan Lang – Ludger Keitlinghaus

Der Auftakt für den SC Forchheim gegen den haushohen Favoriten aus Baden-Baden war alles andere als erfreulich. Am 7. Brett geriet Jörn Bade gegen GM Philipp Schlosser schon nach kurzer Zeit mit den weißen Steinen hart in Bedrängnis. In einer am vorherigen Abend noch ausführlich analysierten Variante ging der Forchheimer eines Bauern verlustig. Zudem mußte er seine Figuren in der Folge Zug um Zug passiver positionieren und das Match nach etwas über zwei Stunden Spielzeit aufgeben. Am 5. Brett spielte Teamchef FM Berthold Bartsch mit den weißen Steinen gegen den starken Nachwuchsakteur IM Fabian Döttling offensiv und strebte den Punktgewinn an, was dieser mit einem Gegenangriff auf den lang rochierten König zu unter-binden suchte. Mehr als Unentschieden war aber nicht zu erreichen, weil FM Bartsch den stabilisierenden Zug b4 unterließ. IM Döttling allerdings vereinfachte die Partie und überführte sie ins ausgeglichene Läufer-Endspiel. Das Remisangebot des Badeners nahm FM Bartsch an.

Jörn Bade – Philipp Schlosser

An Brett 6 verschaffte sich Hans-Jürgen Döres mit den schwarzen Steinen gegen IM Andreas Schenk einen Mehrbauern, der zum Freibauern wurde. Allerdings bewahrheitete sich auch in IM Schenks eingetretener Zeitnotphase Tarkakowers Ausspruch „Turmendspiele sind meistens Remis“ wiederum, da der Badener technisch korrekt dagegenhielt: Unent-schieden. Am Schlussbrett spielte Ersatzspieler Stefan Lang gegen GM Ludger Keitlinghaus mit den schwarzen Steinen die ungeliebte Französische Eröffnung. Im Mittelspiel eroberte Lang einen Bauern, hatte aber mit der schwachen Stellung seines zentrierten Königs zu kämpfen. Die Niederlage kündigte sich an, als der Forchheimer den Ausgleich herbeiführenden Zug Sa5 nicht durchführte, der zum Damentausch und damit zum Vorteil Langs geführt hätte. So blieb Lang nur mehr die Aufgabe in seinem Bundesliga-Debut.

SC Forchheim

– SF 1879 Stuttgart

3,5:4,5
IM Prusikhin

(2504)

– GM Hickl

(2605)

remis
GM Jansa

(2500)

– Buhmann

(2527)

remis
IM Jirovsky

(2457)

– GM Golubev

(2528)

1:0
FM Heidrich

(2415)

– IM Jenni

(2483)

0:1
FM Bartsch

(2320)

– IM Duppel

(2440)

0:1
Döres

(2271)

– IM Bunzmann

(2498)

0:1
Bade

(2267)

– FM Heinatz

(2315)

remis
Lang

(2225)

– FM Schmid

(2202)

1:0
SC Baden-Oos

– SC Forchheim

5,5:2,5
GM Svidler

(2690)

– IM Prusikhin

(2504)

1:0
GM Krasenkov

(2662)

– GM Jansa

(2500)

1:0
GM Dautov

(2617)

– IM Jirovsky

(2457)

0:1
GM Dr. Hübner

(2634)

– FM Heidrich

(2415)

remis
IM Döttling

(2527)

– FM Bartsch

(2320)

remis
IM Schenk

(2477)

– Döres

(2271)

remis
GM Schlosser

(2534)

– Bade

(2267)

1:0
GM Keitlinghaus

(2500)

– Lang

(2225)

1:0