Eine persönliche Sicht auf Mainz

Inzwischen erreichte mich der persönliche Bericht des alten und neuen Vize-Weltmeisters im Chess960-Computerschach. Johannes Zwanzger schildert seine Sicht des Turniers in Mainz und liefert uns „Jonnys“ Partien gleich mit.
Hier die Partien zum Download. Aber Achtung: Zum Ansehen am Computer braucht man eine Chess960-fähige Oberfläche, z. B. das kostenlos herunterladbare Programm Arena.

„Am 17. und 18. August fand im Rahmen der Mainzer Chess Classics die zweite Computer-WM im sogenannten Chess960 statt, an der ich wieder mit meinem Programm „Jonny“ teilnahm. Aufgrund des sensationellen zweiten Platzes im Vorjahr war die allgemeine Erwartungshaltung an „Jonny“ groß, ich selbst rechnete mir nicht soviel aus und hätte alles ab Platz fünf als Erfolg gewertet.

Aber am ersten Tag legte „Jonny“ los wie die Feuerwehr und erzielte in durchwegs ansprechenden Partien 4.5/5, wonach er mit einem halben Zähler in Führung lag. Unter anderem gelang ihm sein erster Turniersieg gegen Rekordweltmeister „Shredder“, der diese Partie aber auch wirklich sehr schwach spielte.
Sehenswerter ist die Angriffspartie gegen den Blitzweltmeister „Ikarus“ aus der zweiten Runde, die durch eine sehr hübsche Abschlußkombination gekrönt wurde.

Der zweite Tag begann dann nicht sehr gut, in der 6. Runde verlor „Jonny“ gegen „Deep Sjeng“ – allerdings in einer sehr spannenden und keinenfalls schwach gespielten Partie, so dass sich meine Enttäuschung in Grenzen hielt. In Runde 7 kam „Jonny“ als Weißer gegen „Naum“ schnell in Vorteil und hatte bald einen Bauern mehr. Leider verpasste er es, seinen Freibauern auf d6 rechtzeitig mit c4-c5 zu decken und so gelang es „Naum“ schließlich, die Stellung auszugleichen, so dass am Ende nur ein Remis zu Buche stand.

Ähnlich, aber letztlich erfolgreicher, verlief die Partie gegen „The Baron“ in der achten Runde: Wieder kam „Jonny“ durch ein hübsches Figurenopfer in an sich entscheidenden Vorteil und gewann einen Bauern, verlor dann aber den Faden und „weigerte“ sich, den Springer auf a1 zu entwickeln – dadurch hatte Schwarz dann auf einmal Kompensation. Irgendwann fing er sich dann aber wieder und konnte die Partie letztlich im zweiten Anlauf gewinnen.

Die letzte Runde bescherte mir mit „Loop List“ einen sehr schweren Gegner, der jedoch in Mainz deutlich unter den Erwartungen blieb. Wieder konnte „Jonny“ zunächst scheinbar mühelos einen Bauern gewinnen, aber auch in dieser Partie musste er den Gegner zweimal totschlagen: nachdem er bei einer Bewertung von knapp +2 Bauerneinheiten kein Weiterkommen sah und Weiß Gegenchancen einräumte, konnte er dann in der Zeitnotphase endlich den Sack zumachen.

Somit stand am Ende erneut der zweite Platz mit sieben Punkten aus neun Partien gegen wirklich starke Gegnerschaft zu Buche, womit ich mehr als zufrieden bin. Den Sieg sicherte sich dann doch noch „Shredder“ von Stefan Meyer-Kahlen, Dritter wurde „Ikarus“ von Munjong und Muntsinn Kolss.

Wenn alles so läuft wie geplant, darf „Jonny“ dann nächstes Jahr ein Zweipartien-Match gegen einen Weltklassespieler im Chess960 spielen, womit ein Traum von mir in Erfüllung ginge.“